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Menschen als Künstler wie Wilfried Schröder faszinieren mich auf mehrfache Weise, aber vor allem deshalb, weil immer dann, wenn ich irgendwo ihren (seinen) Arbeiten begegnete, das klare Gefühl in mir aufkam, auf ein völlig anderes Universum zu stoßen, als das, in welchem ich selbst mich zu bewegen scheine. Eine fremde Welt? Auf jeden Fall - wenn ich mir Mühe gebe, was so sein soll, nicht nur wenn man sich mit Kunst beschäftigt - die Begegnung mit einem anderen Menschen eben, mit ganz außerordentlicher Subjektivität! Wilfried Schröder nun ist nicht darauf aus, in seiner Arbeit oder durch sie Vertraulichkeiten mit anderen auszutauschen, er benutzt keine Versatzstücke aus einer Wirklichkeit der Wiedererkennbarkeit, die sodann in der Betrachtung zum erleichterten Aha! führt. Es scheint, als ob er sich im Grunde nur mit sich selbst beschäftige, und dies stimmt insofern, als hier einer am Wirken ist, der unentwegt seine Gefühle "notiert", die ihn vor allem in der Begegnung mit und in der Beziehung zu einzelnen, jeweils ganz konkreten Menschen, aber auch Dingen und Erscheinungen berühren, ganz und gar verbunden mit dem jeweiligen Jetzt seiner Lebenszeit, Tag für Tag, Stunde für Stunde...

Das, was entsteht, und dies ist durch ihre Unmittelbarkeit naheliegend am deutlichsten in seinen Handzeichnungen auszumachen, sind zwar auch subtile ästhetisch bewertbare Bildordnungen, verströmen aber ihr Wesen eher als eigenwillige Poesie und öfter auch "klingend" wie Musik. Zu zeichnen scheint für Wilfried Schröder wie das Führen eines Tagebuchs zu sein, das einer führen muss, um alles Erleben und Erleiden am Ende wieder sinngebend zusammenzuführen. Dies tut er im übrigen auch häufig auf den Rückseiten seiner Blätter per Wort: kurze Notizen, ganze Gedichte - eine weitere Facette seiner künstlerischen Ausdrucksfähigkeit, die im studierten Metier der Bildhauerei bei weitem nicht zu verweilen gedachte. Jener hat er seit langem schon in seinen Holzskulpturen vermittels durchaus heftiger Farbakzentuierung die Komponente auch malerischer Sinnlichkeit hinzugefügt, welche ohnehin in seinen mischtechnisch dominierten Handzeichnungen sichtlich zum Tragen kommt. Bestandteile seines umfangreichen grafischen Werkes sind außerdem Radierung und Holzschnitt.

Damit nicht genug: 2002 machte er im Rahmen des Ausstellungsprojektes "nordost. fotografische Kunst. mecklenburg-vorpommern" auch erstmals so richtig als Fotograf auf sich aufmerksam, bereicherte mit seinen emotional berührenden, sehr nah gesehenen und formal präzisen Menschenbildern deutlich das Metier.

Wenn auch im Rahmen des Konzepts dieser Publikation und Ausstellung ausschließlich nur bestimmte Aspekte seines zeichnerischen Werks herausgestellt werden, ist doch das Bewusstmachen seiner Vielseitigkeit und Mehrfachbegabung im Hinblick auf jeweils in stattlicher Zahl und Qualität Geschaffenes unabdingbar, um die wirkliche Bedeutung und Größe eines Künstlertums wie das von Wilfried Schröder wenigstens zu erahnen. Sichtbar zu machen wäre das natürlich nur vermittels der Komplexität einer größeren Ausstellung, die alle Facetten seines bisherigen Schaffens einmal gleichzeitig öffentlich zum Leuchten bringt. Unabhängig davon dürfte der genaue Blick auf die kleine Auswahl hier gezeigter Arbeiten auf das Wesen seiner künstlerischen Individualität treffen: Es ist die Intensität einer an sich geistigen Auseinandersetzung mit einem immer anderen Individuum, dem Einzelnen, der ihn berührt hat, die "abgeformt" werden will aus sinnlich sehendem und emotionalem Erleben, auch aus der Erinnerung. Dabei breitet sich in der Fläche auf dem Papier von sparsamster graphitgrauer Zartheit bis spontan eruptiver Heftigkeit mit Farbausbrüchen ein wahres Universum grafischer Vielgestaltigkeit aus, in dessen Zentrum immer wieder Köpfe auftauchen, als das sichtbare und charakteristisch Offenkundige, das Menschliche eben. Verdeckteres, wenn auch nicht verborgen, galt es zu entdecken: die im Frühjahr dieses Jahres entstandenen melancholischen und grafisch fein verwobenen "Schicksalsblätter" mit Katze, Freund und Hausbau etwa, die Erotik fragmentarischer Körpersichten von 2004 oder auch die kleinen Zeichnungen, die vor dem Fernseher bei der Übertragung der Fußballweltmeisterschaft 2006 entstanden. Nicht nur letztere belegen die Besonderheit einer subjektiven Lebensführung, die ganz offenkundig Lebenszeit nahezu vollständig als in diesem Falle künstlerische Arbeitszeit definiert, was ich, als mir zwar selbst fremd, aber staunend und mit neuerlicher Faszination anerkennen muss.
Ulrich Rudolph, Juli 2008

Köpfe sind ebenfalls ein bevorzugtes Motiv des Kühlungsborners Wilfried Schröder, allerdings aus einer vollkommen anderen Sicht; wohl aus der eines produktiven Grüblers. Schröder verarbeitet, was sich im Kopf abspielt, er spiegelt in seiner besonderen Weise menschliche Leidenschaften.
Im Kopf träumen sich Abgründe, werden Phantasien und Glücksmomente wach, Spannungen bewältigt oder bleiben als aufrührerische Bilder. Auch Körpergefühle können sich im Kopf eingraben.
Schröder wendet sich Personen zu, deren Schicksal ihn permanent beschäftigt. Im Vergleich zur Kompliziertheit des Stoffes, dem sich der Künstler widmet, sucht er bewusst nach formal transparenten Lösungen. Er bevorzugt das zeichnerische Moment, die Linie wird verfügbar gemacht, sparsam gefüllte Flächen wechseln mit symbolisch akzentuierter Farbigkeit.
Verletzungen, Verletzlichkeit und Schutzbedürfnis sind auch Pole seiner bildhauerischen Intentionen. Spröde behauene Holzblöcke transportieren Empfindsamkeit, die häufig durch Kontrastfarben, vorzugsweise durch Schwarz und Rot gefährdet wird.
Dr. Ulrich Ptak, Kunsthalle Rostock (Katalog "Kunst in unserem Raum" HEVAG Rostock, 1994)

Der individuelle Geist des Künstlers ist sein Werkzeug und sein Material, sein Schaffen besteht in einem unablässigen Selbstopfer, einem Aufgehen seines Selbst in etwas, das einen höheren wert darstellt. Er sucht ein gefährliches Abenteuer, denn die Sehnsucht, die ihn treibt, ist die metaphysische Vorstellung von der substantiellen Einheit der Seele. Seine Aufgabe ist nicht, neue, ungesehene Gefühle zu entdecken und sichtbar zu machen, sondern Empfindungen aus der Banalität des individuellen Daseins herauszulösen und durch seine Verwandlung in Kunst zum Sprechen zu bringen. Durch den Künstler als Medium entsteht kein Bild im Sinne von real  Vorgefundenem, sondern der Widerschein einer möglichen Verbindung der subjektiven Begrenztheit mit der Welt.
Dies gilt in besonderem Maße für Wilfried Schröder. Sein bisheriges Schaffen spiegelt jene menschliche Tiefe wider, die nicht das Subjektive nicht zu allgemeiner Gültigkeit verkürzt, sondern als Ausdruck von Hingabe und Mit-Gefühl in der künstlerischen Wahrhaftigkeit des Nicht-anders-Könnens mit dem konkreten, sichtbaren Sein auch eine innere, seelische Realität hervorbringt. Thema seiner Auseinandersetzung ist immer der Einzelne, dessen alltägliche Realität, dessen Sensibilität, Verwundbarkeit und Sinnlichkeit sich mit der des Künstlers im Kraftakt des Gestaltungsprozesses zu Nähe verbindet, das sichtbare Werk las Zeuge der für einen Moment gebannten Vereinzelung.
Die Zeichnungen und Plastiken von Wilfried Schröder tragen die Anspannung des Empfindens der individuellen Differenz, des Unvergleichlichen und unsagbaren. Er legt das menschliche Schicksal nicht bloß, das Individuum bleibt als Persönlichkeit integer, er erreicht durch die Kraftanstrengung der künstlerischen Annäherung ein Heraustreten aus der individuellen Daseinsverstrickung und Isolation. Seine Sujets sind oft von eindringlicher Nähe zu der rauen und hinreißenden Natur der See und der Kühlung, deren stille Kraft aus der Farbigkeit  und der klaren Linienführung spricht. Sein künstlerischer Gestus verbindet eine sensible Wahrnehmungsfähigkeit mit Kraft und Intensität. Seine Holzplastiken, die Körper, Torsi und Köpfe zeigen ausnahmslos Individuen, deren Empfindsamkeit und Verletzlichkeit sich fast unerträglich dem Betrachter in seiner Hingabe nähert. Diese Intensität des Ausdrucks wird durch die spontane Bearbeitung des Holzes in großzügigen Flächen und Kanten gesteigert, die zutage tretende Struktur des Holzes durch partielle Farbigkeit betont.
"Ich würde lieber das Gedächtnis der Seele entdecken als richtige Gedanken haben." (John Baldessari)
Anders als in vorangegangenen, steht in den ausgestellten Werken des Zyklus "Markus" die körperliche Gegenwart in einer erlittenen Weise im Vordergrund. Die Unfassbarkeit einer geistigen Behinderung findet Ausdruck in dem tiefen Schmerz der Unmöglichkeit einer differenzierten Kommunikation. Das Gesicht, die Mimik als sichtbarer Mittler zwischen den Individuen versagt und wird zu einer den Künstler verzweifelnden Fläche, deren "Dahinter" in seiner psychischen Struktur undurchdringlich bleibt. Die stumme Physiognomie erzeugt den Eindruck von Erstarrung und Distanz, wenngleich die motorische Kraft und körperliche Realität dem zu widersprechen scheint. Der lebendige Wille, sich auszudrücken, zeigt sich im Prozess des Erschaffens eines Objektes - eines "Baseballschlägers", der unter den Händen entsteht und gleich wieder zerfällt.
Wilfried Schröders mutiger Gebrauch der bildhauerischen Mittel zeigt die Zerreißprobe, sich dem Gegenüber durch Strich und Form, durch Farbe und Holz zu nähern. Die schroffen Flächen, die reduzierten Farben, grau, schwarz, rot, zeigen Begrenzung, Irritation und Leben.
Prof. Gabriele N. Reichert, Berlin, den 2.6.94 (Katalog "Figur-Kopf-Torso", Galerie Roter Pavillon Bad Doberan, 1994)

Für Wilfried Schröder ist die einfühlsame bestätigende Hinwendung zur Individualität des Anderen, zum Porträt, innere Notwendigkeit, aus der heraus seine Kunst lebt. Diese Hinwendung ist konsequent, sie hat immer auch die drückenden und drängenden Probleme des Umgangs miteinander und mit der Natur im Blick, die kaum noch plastisch, wohl aber im recht umfangreichen grafischen Werk gefasst werden. Dennoch ist die so viel schmalere plastische Hälfte des Werkes die gleichsam verinnerlichtere und in ihren Jünglingsgestalten scheint diese Substanz noch einmal in widerspruchsvoller Weise geronnen. Aus Drakes klassisch-realistischem Körperideal, das Schröder im Prinzip nicht verlässt, wird unter der Last der unsichtbaren, der Gedankenbürde im großen Stehenden eine sich leicht unter Anspannung krümmende Figur.
Die großen Hände und Füße machen den "Beobachter" ("Schauender") zu einer gegen die Norm gesetzten Erscheinung. Diese Jünglingsgestalten sind bedeutend als realistische Metaphern für spannungsreiche Frage- und Erleidenszustände, aber dieses Leiden ist unpathetisch. Manche Plastiken von Joachim Karsch erscheinen als Geistesverwandte seiner Schöpfungen, wenn Schröder auch ohne den Spiritualismus und die Religiosität des ältern auskommt und seine Figuren ganz auf sich verwiesen sind.
Peter Palme (Katalog "Plastik im Bezirk Rostock", Kunsthalle Rostock, 1986)

Mit seinen beiden Jünglingsfiguren -  "Schauender" und "Sitzend" – sucht Wilfried Schröder unter Verzicht auf ein klassisches Schönheitsideal einige charakteristische Züge von heutiger Jugendlichkeit festzuhalten. Unausgewogenheit der Proportionen und der Haltung, nicht so recht umgehen können mit den eigenen sehnig-schlaksigen und doch leicht eckig kantigen Gliedmaßen, Verlegenheit hinter Lässigkeit verbergend, Ungezwungenheit demonstrierend, die zwar in Jeans und Pullover, kaum aber in Stehkragen und Frack passen würde. Hier wird auch ohne Kleidung und Attribute unverwechselbare Zeitnähe erreicht und ein treffendes Bild von jugendlichem Unfertigsein entworfen.
Erika Neuman (Katalog  "Junge Bildhauer der DDR", Kloster unser Lieben Frauen, Magdeburg, 1983)

Im Obergeschoß des Klubhauses am Leuchtturm stellt Wilfried Schröder Plastiken, Ölbilder und Grafiken aus.
Wilfried Schröder ist Abiturient und Mitglied des Zirkels für Bildnerisches Volksschaffen unserer Werft. Er gestaltet Landschaften, Menschen, Tiere, Phantastiken und Plastiken. Er liebt die Natur, forscht und fabuliert; deshalb steckt in seinen Bildern keine bloße Oberflächlichkeit, sondern Tiefe. Voller Phantasie ist sein Zyklus zu Goethes Ballade "Erlkönig". Diese Holzschnitte sind geistig erlebt und empfunden gestaltet. Das großartige Elementare der Motive wurde erfasst, und die Dramatik funkelt aus dem Schwarz und Weiß der Holzschnittdrucke.
Der Holzschnitt "Menschen auf der Mole" ist scharf, lustig und bissig geschnitten. Wilfried Schröder sucht und beobachtet Charaktere, greift ins Menschenleben, packt Gesichter und Masken. Er ist jung und deshalb voller Unruhe. Dies ist eine wichtige Etappe für das schöpferische Arbeiten.
Kunst ist Geist und Phantasie. Und Geist und Phantasie sind wunderbar.
Armin Münch ("Werftstimme" der Warnowwerft, Nr. 22, 28.8.1964)